Partnerkonflikte

17.02.2023
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Doch warum ist das so?

In den zwanzig Jahren systemischer Beratungstätigkeit möchte ich meine miterlebten Erfahrungen teilen.

In diesem Artikel bezeichne ich Männer und Frauen als Klienten, da alles Andere für mich sinnentfremdete Wortklauberei ist. Ich bin mir meines Frau Seins voll bewusst auch ohne „innen“.

Sehr oft waren Klienten bei mir, die in tiefen Beziehungskrisen mit ihren Partnern feststeckten. Sie wirkten alle unglücklich, wussten nicht wohin mit ihren Emotionen. Sei es Wut, Angst, Groll und sogar Hass, am schlimmsten empfanden sie die Enttäuschung oder Zurückweisung. Das Verliebtsein war vorbei und die Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft schien dahinzuschwinden.

Wie konnte es soweit kommen?

Hier gilt es, das eigene Verhalten zu überprüfen, und zwar wahrhaftig sich selbst gegenüber. Ist das eigene Verhalten während des Partnerkonfliktes gerechtfertigt? Werden Schuldzuweisungen getätigt? Sind die Emotionen der momentanen Situation angemessen, oder entsprechen sie dem Verhalten eines unreifen Kindes?

In den meisten Fällen entsprechen sie dem Verhalten eines unreifen Kindes. Dem zu Grunde liegen unverarbeitete Themen aus der eigenen Kindheit, die unbewusst auf den gegenwärtigen Partner projiziert werden.

In den ersten Lebensjahren erleben Kinder als erstes ihre Eltern, wie diese als Paar miteinander umgehen. Das prägt schon mal das erste Beziehungsbild, das sich im Zellgedächtnis abspeichert. Ist das Verhalten der Eltern zueinander geprägt von Streit, nicht miteinander kommunizieren, Dominanz oder Unterdrückung, erfährt dies das Kind als Realität und glaubt, das sei die reale Welt. Häufig suchen sie sich als Erwachsene einen Partner, der das Verhalten eines Elternteils spiegelt. Das Kind übernimmt unbewusst die Verhaltensweisen der Eltern und sieht diese als normal an. Es kann für sich nicht unterscheiden, ob es liebevoll oder destruktiv ist, da es nur diese Welt kennengelernt hat und es fatalerweise als normale Welt sieht.

Gehen die Eltern in irgendeiner Weise destruktiv miteinander um, entwickelt das Kind ein Überlebensmuster, um dies überhaupt auszuhalten. Diese können z.B. sein: ich darf nicht auffallen, ich muss ganz brav sein, ich muss Papa oder Mama helfen, ich muss besonders fleißig sein, usw.. Als Erwachsener lebt der Mensch dann dieses Muster, und nicht sein wahres Selbst.

In Partnerkonflikten wird meist das unverarbeitete Elternthema und das daraus resultierende Muster weitergelebt, bis es zu Krisen kommt. Jede Krise ist zu begrüßen, denn sie zeigt auf, was der Mensch mit sich selbst noch klären oder heilen darf.

In Partnerschaften macht es allerdings auf lange Sicht keinen Sinn, wenn nur ein Partnerteil an sich arbeitet und der andere Partnerteil keine Notwendigkeit sieht. Es gehört immer die Bereitschaft beider dazu, bei sich zu reflektieren und nach innen zu schauen.

Leider sind in diesem Bereich viel mehr Frauen unterwegs als Männer, was ich sehr schade finde und nicht verstehen kann. Es bietet sich für beide eine sehr große Chance zur Veränderung, die beide nutzen sollten. Sei es, sich in einer bestehenden Partnerschaft gemeinsam weiterzuentwickeln oder eine neue Partnerschaft aufbauen zu wollen.

Es ist eine echte Selbstreflektion erforderlich, sich zu überprüfen. Liegt dem Verhalten ein unverarbeitetes Elternthema aus der Kindheit zugrunde oder ist das Verhalten der gegenwärtigen Situation angemessen? Wird unbewusst der gegenwärtige Partner mit vorherigen Partnern verglichen?

Dieses unbewusste Vergleichen mit den bereits vorher gemachten Partnererfahrungen lässt oft keine neue Möglichkeit zu, diesmal könnte es anders sein.

Ohne diese ehrliche Reflektion ist meiner Meinung nach, keine gesunde, heilende Partnerschaft möglich. Hier bietet die systemische Beratung viele Möglichkeiten.

Auf der Gesprächsebene können diese Themen bewusst gemacht werden, doch die wahre Heilung geschieht im inneren Abnabelungsprozess von den Eltern und den gelebten Erfahrungen mit vorherigen Partnern. Dazu braucht es Reife, Bewusstheit und den Willen zum Verändern, um sein eigenes wahres Selbst zu leben. Oft glaubt der Mensch, abgenabelt zu sein, durch einen räumlichen Abstand oder einen physischen Kontaktabbruch von den Eltern. Das ist ein Irrtum, denn die Erfahrungen sind im Zellgedächtnis gespeichert.  Alles, was im Zellgedächtnis gespeichert ist, sitzt im Körperbewusstsein. Und den Körper hat der Mensch immer dabei.

Das Elternbild nimmst du immer mit, egal, wo du bist. Es wirkt solange in dir, bis du es anschaust, erlöst und ausheilst. Die Prägungen in sich zu verändern, geschieht ausschließlich durch die Liebe und  Aussöhnung damit. Aus Wut, aus Angst, aus Groll oder aus Hass geschieht niemals eine tatsächliche Ablösung. Das Gegenteil ist eher der Fall, denn hier wirkt die Ablehnung. Die Ablehnung verstärkt die Verhaftung mit dem Elternteil.

Überprüfe dich, wo du selbst mit dir stehst. In deiner Partnerschaft, in deinen Beziehungen.

Das Wort „Beziehung“ verwende ich nicht mehr so gerne, da keiner aneinander „ziehen“ sollte.

Partnerschaft ist für mich die Begegnung auf Augenhöhe.  Beide schauen sich in die Augen, respektieren sich gegenseitig, in dem was beide für sich sind, füreinander sind, ohne zu kontrollieren, ohne Unterdrückung, ohne Schuldzuweisung und ohne Kleinhalten. Denn das war in den meisten Fällen die alte Form einer Beziehung, und die darf sich ganz und gar auflösen und beenden. So können  wahre neue Partnerschaften in Respekt, auf Augenhöhe, im friedlichen und liebevollem Umgang miteinander, entstehen.

 

Übrigens sehe ich die überbehütenden, alles abnehmenden Eltern noch destruktiver für Kinder an, als das oben genannte Verhalten. Welche Erwachsene werden das? Ich glaube nicht, dass es Erwachsene werden, die mit Konflikten umgehen können. Sie werden daran zerbrechen oder manipulativ ihren Vorteil ziehen. Das ist meine persönliche Meinung.

 

 

In diesem Sinne möge Jeder und Jede für sich selbst entscheiden, was Partnerschaft bedeutet und dafür die Verantwortung übernehmen.

 

Abschließend stellt sich hier die essentielle Frage: „Bin ich wahrhaftig bereit, mein Herz für die bestehende oder noch kommende Partnerschaft überhaupt oder wieder zu öffnen?“

Denn diese Entscheidungen sollten aus dem Herzen getroffen werden, hierauf hat der Verstand keinen Einfluss. Der Verstand kennt nur das Vergleichen, Kontrollieren und die Erfahrungen aus der Vergangenheit.

Es lohnt sich, als Erstes das Herz zu fragen.

In diesem Sinne

 

Angela Illik

Systemische Beratung

31.01.2023

 

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